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Ein glanzvolles Leben endete in Armut

Erinnerung an Paulina Rothschild, eine bedeutende Pianistin und Komponistin

Solange sie eine gefeierte Pianistin war, schmückte sich Weinheim gern mit Paulina Rothschild. Als sie von den Nationalsozialisten mit Auftrittsverbot belegt wurde, weil sie Jüdin war, wurde der Kreis derer, die zu ihr hielten, sehr klein. Das über zwei Jahrzehnte glanzvolle Leben der bekanntesten unter den vier Töchtern des Weinheimer Kaufhausbesitzers Wolf Rothschild endete in Armut. Paulina Rothschild starb im Januar 1937, 52-jährig, in Heidelberg an den Folgen einer Operation. Das Schicksal ihrer ältesten Schwester Sophia blieb ihr erspart: sie wurde 22.11.1941 von Frankfurt nach Kowno,deportiert und ist seitdem verschollen. Zuvor schon waren die beiden anderen Rothschild-Töchter ausgewandert: Betty Bergen 1934 nach Montevideo, Frieda Braun 1937 in die USA.

In Alfred Einsteins „Das neue Musiklexikon” (1926) kann man über die 1884 geborene Konzertpianistin und Komponistin lesen: Sie „wurde nach anfänglichem Unterricht in ihrem Heimatstädtchen Schülerin von Wilhelm Bopp in Mannheim, des nachmaligen Direktors der k.u.k. Akademie der Tonkunst in Wien. Nach Absolvierung ihrer Studien an der Hochschule für Musik in Mannheim, kam sie zuerst zu Professor Ordenstein nach Karlsruhe, dann zu Alfred Hoehn nach Frankfurt und zu Carl Friedberg in Köln, in späteren Jahren zu Max von Paur. Schon früh verlegte sie sich auf das Gebiet der Klavierkammermusik (angeregt hierzu von Professor Bopp) und ist diesem Spezialgebiet auch treu geblieben. Seit 1924 hat sie sich mit Gösta Andreasson (Busch-Quartett) und dem Violoncello-Virtuosen Hans Bottermund zu einem Trio vereinigt.”

Auch Joseph Walk bezeichnete in den 1988 vom Jerusalemer Leo Baeck Institut herausgegebenen „Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918-1945” Paulina Rothschild als „bedeutende Komponistin und Pianistin”, die unter anderem den 127. Psalm als Chor mit Bass- und Tenorsolo vertonte. Die sehr eigenwillige Komposition widmete sie als Festgabe der jüdischen Gemeinde Weinheim bei der Einweihung ihrer neuen Synagoge.

Konzertreisen hielten Paulina Rothschild häufig fern von ihrer Heimatstadt, aber wenn es galt, eine wichtige Weinheimer Veranstaltung mit klassischer Musik zu schmücken, waren sie oder ihre Schüler dabei. 1927 spielte Dr. Zengeler, ein Schüler von Paulina Rothschild, zur Einweihung des Saalbaues „Pfälzer Hof”. Im Januar 1909 hatte die Pianistin im Saal des Hotels „Prinz Wilhelm” (heute Polizeirevier) ein Wohltätigkeitskonzert zu Gunsten der Erdbebenopfer in Sizilien mit Werken von Bach, Beethoven, Chopin und Liszt bestritten.

Ende der 20-er Jahre war Professor Rudolf Serkin, einer der großen Pianisten des vergangenen Jahrhunderts, ihr persönlicher Gast in Weinheim. Serkin stammte aus einer Familie russischer Juden und galt bereits mit fünf Jahren als pianistisches Wunderkind. 1915 debütierte er als Zwölfjähriger mit den Wiener Philharmonikern. 1935 emigrierte Serkin, Schwiegersohn des berühmten Geigers Adolf Busch, in die USA und begründete mit Busch das Marlboro Music Festival.

Außerordentliche Verdienste um Weinheim erwarb sich Paulina Rothschild, als sie 1918, zusammen mit Marx Maier, den Kammermusikverein Weinheim gründete. Mit Unterstützung der Unternehmerfamilien Hildebrand, Freudenberg und Hirsch wollten die Beiden „einem größeren Kreis von Musikfreunden Konzerte bieten, die sonst nur in Großstädten veranstaltet werden konnten” (Daniel Horsch: Sie waren unsere Bürger).

Die Nationalsozialisten belegten die berühmte Pianistin mit Auftrittsverbot. In einem der Häuser, die vom Rosslederwerk Hirsch an der Scheffelstraße für Mitarbeiter errichtet worden waren, fand Paulina Rothschild Unterkunft und hielt sich mit Klavierunterricht über Wasser. Die wenigen verbliebenen Anhänger der Künstlerin schickten ihre Kinder in kurzen Zeitabständen zum Unterricht, um einen Vorwand zur finanziellen Unterstützung der Pianistin zu haben.

Heinz Keller, veröffentlicht in den "Weinheimer Nachrichten" vom 01.08.2008

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